
MINI.STADT
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Julia Bauer - Begegnungen im Wartesaal
Julia Bauer nutzt den Raum am Lichtensteiger Bahnhof als Resonanzraum. Der Charakter des Raumes hat sich für Julia im Laufe der Zeit immer wieder geändert. Ursprünglich war sie auf der Suche nach einem Raum für ihre Klangexperimente. 2020 lebte sie noch in Krummenau und arbeitete in Degersheim. So wurde der Wartesaal zu einem willkommenen Zwischenstopp zwischen Arbeit und Daheim. “Der Wartesaal war eine Zeit lang ein bisschen wie meine zweite Stube, nachdem Maura Kressig mir den Schlüssel in die Hand gedrückt hat”, erzählt Julia Bauer. Hier macht sie selbst Musik, lädt Freunde und Bekannte zum Musizieren ein. “Wenn man meine Einrichtung aus dem Raum heraus nimmt, klingt es im Wartesaal wie in einer Kapelle”, schwärmt sie. Julia hat aber auch ihre Nähmaschine da, manchmal schreibt sie oder nutzt den Raum einfach zum Denken und Sein. Ab und an organisiert sie Veranstaltungen, wie zum Beispiel einen kleinen Flohmarkt oder sie installiert Interventionen am Bahnsteig und im Fenster. Eine Zeitlang hing eine Schaukel am Bahnsteig.
Wenn die Menschen kurz aus ihrem Alltag gelockt werden, ein kurzer Augenblick des Kontakts entsteht, freut sich Julia Bauer. Dies sind die Momente, in denen Julia dem Wartesaal seinen ursprünglichen Charakter zurückgibt - eine mögliche Kontaktzone.
Manche Begegnungen bleiben besonders in Erinnerung, wie ein älterer Herr, der mit einem Blumenstrauss in der Hand auf sein Date gewartet hat. “Wir haben uns kurz unterhalten, weil seine Verabredung Verspätung hatte”, lächelt Julia. “Nach seinem Date kam er sogar noch mal zurück und wir haben noch lange geredet.” Und einmal, als Julia an einem Märchen schrieb, betrat ein stattlicher Herr den Wartsaal am Bahnhof. Er trug ein Buch in der Hand. Es stellte sich heraus, dass dieser Mann Usama al Shahmani war. Er kam von einer Lesung in der Städtlibibliothek. Sie unterhielten sich über sein Buch, welches Julia kurz zuvor begonnen hatte zu lesen. Ein kleiner und doch magischer Zufall.
Mittlerweile wohnt Julia Bauer mit ihrem Partner auch in Lichtensteig. Sie hat sich Lichtensteig vom Wartesaal aus durch Spaziergänge erschlossen. “Ich dachte mir: Aha, da gibt es schon so viel, was mich gwundrig macht, tolle Projekte und gute Ideen. Ich habe mich direkt wohl und sogar eingeladen gefühlt”, beschreibt Julia Bauer ihre Annäherung an das Städtli.
“Richtig auf dem Dorf ist man erst, wenn es nur noch das Postauto gibt”, findet Julia. Mobilität ist für sie sehr wichtig. Julia erzählt, dass sie als Kind oft mit dem Zug an Lichtensteig vorbei gefahren sei und sich das Bild des hübschen Städtlis in ihrem Kopf festgesetzt hat. Das erste Mal sei sie mit ihrer Mutter in Lichtensteig ausgestiegen, um die Biberli vom Café Huber zu erstehen, die von einer Freundin ihrer Mutter auf das Höchste gelobt wurden. Ansonsten kannte sie die Wirkstadt über Facebook und ist mit Fri Freydl über einige Ecken verwandt.
Man kann sagen, der Wartesaal am Bahnhof und Julia Bauer haben sich gesucht und gefunden.
Julia Bauer befindet sich in der Ausbildung zur Musiktherapeutin und ist dabei sowohl mit Gesang als auch mit Instrumenten unterwegs. Das Kotamo, das im Wartesaal steht, hat sie während der Ausbildung selbst gebaut. Montagabend gibt es alle zwei Wochen Acro Yoga im Wartesaal von 18:30-20:30 Uhr. Die nächste Veranstaltungsreihe ist bereits geplant, es geht um die vier Elemente und darum, einen Raum für Begegnungen zu öffnen.
Geöffneter Wartesaal und Palaver:
Luft: Freitag, 27. Januar
Erde: Montag, 20. März
Feuer: Freitag, 5. Mai
Wasser: zwischen Mitte Juni - Mitte Juli
Beginn Palaver jeweils um 19.00 Uhr
Julia Bauer ist in St. Gallen aufgewachsen und ist 30 Jahre alt. Sie arbeitet als Lernbegleiterin an der Monterana in Degersheim.
Foto: Silke kleine Kalvelage