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Sarah Brümmer: Gemeinsam zu einem grüneren Städtli

12. Mai 2022
Als baldige Trägerin des Grünstadt-Labels fallen in der Gemeinde Lichtensteig viele Arbeiten an, sowohl gärtnerische als auch planerische. Die Grünstadtbeauftragte Sarah Brümmer ist der Dreh- und Angelpunkt des Konzepts für mehr Biodiversität.

Sarah Brümmer freut sich. «Die Flächen erblühen immer mehr!» Als Verantwortliche fürs Grünstadt-Konzept der Gemeinde Lichtensteig kümmert sich die 24-Jährige um alles, was im Städtli kreucht und fleucht. Die Bestrebungen der Gemeinde tragen erste Früchte. So ist Lichtensteig auf Spur fürs Erhalten des Labels «Grünstadt Schweiz» und gewann 2021 den Binding Innovationspreis für Biodiversität. Zu verdanken sei dies den langjährigen Vorarbeiten der Arbeitsgruppe «Blühendes Lichtensteig», der Naturschützerin Romy Hollenstein und dem Einsatz des Lichtensteiger Werkhofs, betont Sarah Brümmer. Auch wenn sie seit 2020 «Grünstadt»-Projektleitern ist, sieht sie es immer als Gruppen-Effort. «Das Projekt wurde von Freiwilligen geschaffen, und auch jetzt sind Freiwillige stark beteiligt.»

«Fruchtbarer Boden sollte ein Grundrecht sein»
Sarah Brümmer ist 1997 in Berlin geboren und im Kanton St. Gallen aufgewachsen. Als gelernte Schneiderin machte sie sich 2017 in Lichtensteig selbständig. Aber immer war da dieses Interesse am Grünen, an der Natur. Also bildete sie sich parallel zur Etablierung ihres nachhaltigen Mode-Labels «ungenormt» in den Bereichen Permakultur, Naturschutz und Siedlungsökologie weiter. Zentral waren – und sind – für sie dabei die Böden. «Fruchtbarer Boden sollte ein Grundrecht aller sein», wie sie sagt. Und umgekehrt habe die Zivilisation direkte Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen. «Die Siedlung birgt aber ein grosses Potenzial in sich», erläutert Brümmer. «Zum Beispiel können sie Magerstandorte hervorbringen, die im Kulturland mehr und mehr verschwinden.»

Langjährige Vorarbeiten für ein blühendes Lichtensteig
Seit 2020 ist nun Sarah Brümmer als Grünstadtbeauftragte und Gärtnerin bei der Gemeinde Lichtensteig angestellt. Bereits zuvor hat sie zusammen mit freiwilligen Helferinnen und Helfern aus der Arbeitsgruppe «Blühendes Lichtensteig» und dem Verein NaturFlooz verschiedene Projekte umgesetzt, zum Beispiel im Flooz mit einem Amphibien- und Insektengarten sowie einen Gemeinschaftsgarten. Noch vor Sarah Brümmers Einsatz kam der Gruppe die Idee, das Grünstadt-Label anzustreben. Von rund 2200 Schweizer Gemeinden haben erst gut 20 Gemeinden dieses Label erhalten. Denn der Aufwand ist gross, es sind an die 60 Massnahmen nötig, von strukturellen Themen wie dem Richtplan bis zu Biodiversitätsaufwertungen und Inventarisierung der bestehenden Grünflächen und Pflanzenarten. «Das übersteigt die Kapazität der Freiwilligen und des Werkhofs», so Brümmer. Das sah auch die Gemeinde so und engagierte sie in einem Teilzeitpensum.

Label als zeitliche Absicherung
Die Idee hinter dem Grünstadt-Konzept: ein erlebbares, naturnahes Grün-Städtli zu schaffen, wie Brümmer es nennt. «Ein lebenswertes Umfeld also für Mensch und Natur.» Das Konzept und das Label sind nicht Selbstzweck, wichtiger sei es, die Bevölkerung auf diesem Weg mitzunehmen. Zwar sei die Absicherung, die das Label gibt, willkommen. Denn Projekte im Bereich Biodiversität benötigen viele Jahre, bis sie etabliert sind. Aber im Zentrum stehe die aktive Kommunikation mit den Bewohnerinnen und Bewohnern sowie die Zusammenarbeit mit Vereinen und engagierten Privatpersonen. «Zwischen Mensch und Natur soll ein Miteinander auf Augenhöhe entstehen», erklärt Sarah Brümmer. Dabei verfolgt das Grünstadt-Team mit Bauprojekten konkrete Ziele wie etwa die Arterhaltung von Insekten und Amphibien, klärt aber auch über die Essbarkeit und Beerntbarkeit von Pflanzen auf öffentlichen Flächen auf. So darf sich die Bevölkerung explizit bei den Hochbeeten in der Stadt, den Beerensträuchern und Obstbäumen oder den Arzneipflanzen bedienen.

Ermutigt, aktiv zu werden
Lichtensteig sei dafür der ideale Ort, sagt Sarah Brümmer. Denn die Bevölkerung weise eine hohe Identität auf. «Ich mag das Leben und die Leute in Lichtensteig, wie man sich engagiert und das Städtli aktiv mitgestaltet.» Dass auf so kleinem Raum so viel entsteht, das sei bemerkenswert und sicher auch der kreativen Reibung zwischen dem urbanen Flair des Städtchens und der Natur geschuldet. Nicht zuletzt schätzt Brümmer die Arbeit des Gemeinderats. «Statt zu verbieten und einzuschränken, wird man in Lichtensteig ermutigt, aktiv zu werden.»

Das stelle das Grünstadt-Projekt natürlich auch vor gewisse Herausforderungen, sagt Sarah Brümmer und lacht. «In einer kleinen Gemeinde läuft vieles ohne genaue schriftliche Pläne und festgehaltene Abläufe.» Entsprechend besteht ein Teil der Arbeit für die Grünstadtbeauftragte darin, die Abläufe und Grundsätze zu verschriftlichen. Aber auch hier: nicht als Selbstzweck. Einerseits verlangt das Grünstadt-Label eine solche Dokumentation. Andererseits helfen diese Dokumente aber, das Projekt langfristig am Laufen zu halten – denn sowohl Mitarbeitende der Gemeinde als auch Privatpersonen oder etwaige zukünftige Generationen an Grünstadtverantwortlichen können so auf einen Fundus an Wissen und gemachten Erfahrungen zurückgreifen.

Links: www.sarahbruemmer.ch, www.gruenstadt-schweiz.ch

 

Sarah Brümmer
Sarah Brümmer