MINI.STADT
Inhalt
Hairi Vogel - Unfreiwilliger Abenteurer aus Übergangszeiten
No Future und die Liebe zur Musik
Sein Herz schlug für die Musik von Woodstock. Er hörte auf dem Piratensender Radio Luxemburg nachts Rockmusik und fing schon früh an, E-Gitarre zu spielen. Aufgewachsen sei er in einer Welt, in der der Atomkrieg jederzeit möglich schien. “No Future” war das Motto seiner Generation. Als Teenager war ihm klar, dass er maximal 25 Jahre alt werden würde. Dass er noch mit 70 Jahren Interviews geben würde, hatte er nicht vermutet.
Wilde Zeit als Tontechniker in Kirchberg
Nachdem also die für ihn erhoffte Karriere als Bundesrat abgesagt worden war, wollte der junge Hans Heinrich Grafiker werden. Das passte nicht in die Vorstellungen des Vaters und so sei er dann von zu Hause abgehauen und Tontechniker geworden, erzählt Hairi. Ein damals exotischer Beruf. In Kirchberg SG enstand Ende der ‘70er Jahre das erste Low-Budget Tonstudio der Schweiz. Dort sei in den ´76 Jahren die Punk und New Wave Szene der Schweiz zu Hause gewesen. In den ‘80er Jahren war er dort Haustechniker. Das sei eine strenge Zeit gewesen berichtet Hairi, der nach vielen 16 stündigen Arbeitstagen, eine Produktion ging ungefähr einen Monat, einen Nervenzusammenbruch erlitt.
Migration nach Italien
1987 verliess er die, wie er sagt, "romantische Schweiz”, die ihn in eine Psychiatrie einweisen wollte, als er hilfsbedürftig aufs Sozialamt ging. Er wusste um die Zustände in den schweizer Psychiatrien in dieser Zeit, in der Menschen entrechtet wurden und an denen im schlimmsten Falle auch Versuche durchgeführt wurden. So floh er nach Italien und begann dort eine Behandlung. Er fing wieder an, als Tontechniker zu arbeiten, nun allerdings bei Konzerten und nicht mehr im Studio. Dort sah er rund 500 Bands arbeiten, lernte ihre Arbeitsweisen kennen, auf der Bühne und Backstage. Irgendwann verschob sich beim Tragen eines Verstärkers sein Lendenwirbel und setzte seiner Tontechniker Karriere ein Ende.
Multimedia Ausstellungen mit spielerisch, didaktischen Anspruch
Als neugieriger, technikaffiner Mensch hatte sich Hairi in der Zwischenzeit Programmieren beigebracht und so wurde er Tutor für Multimedia an der Universität in Turin und gründete eine Firma für Entwicklung von Multimedialen Installationen zusammen mit seiner damaligen Frau. Die grösste Ausstellung an der er mitgearbeitet hat, sahen rund 150.000 Zuschauer*innen.
Im Spannungsverhältnis zwischen Städtli und Konzeptkunst
Heute führt er das Leben eines Rockstars im Spannungsverhältnis zwischen Kaff und Konzeptkunst. In seinem Atelier im dritten Stock der Krone finden sich vielerlei seiner eigenen Kunstobjekte, Erinnerungsstücke aus seiner Familie und natürlich steht hier auch sein Musikequipment in einer kreativen Mischung aus Dingen, die von Laien auch als Chaos bezeichnet werden könnte. Von hier aus hat er den besten Ausblick auf das Treiben zwischen dem Lichtensteiger Rathaus und dem Café Huber und hier lässt er sich vom kulturellen Leben inspirieren. “Ich liebe es ja, in einer Micro-Stadt zu leben”, kommentiert Hairi die beschauliche Szene im Städtli. Sein künstlerisches Schaffen sei erzähltes Leben. Gemeinsam mit Julia Sciarrone hat er die Band “Mier” gegründet, die eine Lücke schliesst zwischen Comedy und Chanson. “Wir lieben es beide, öffentlich zu heulen”, lacht er. “Musik ist unsere Rettung, nicht unser Job, unsere Mission und eigentlich machen wir Konzeptkunst.”
Mehr über Mier: https://hairi.bandcamp.com/album/mier-live-wirkstadt-281224
Text: Silke kleine Kalvelage




